Gizeh, Cheops-Pyramide, vor 1864

Alphons-Stübel-Sammlung früher Orientfotografien

Gizeh, Cheops-Pyramide, vor 1864
Foto: Wilhelm Hammerschmidt (tätig ca. 1860–1870)

Eine umfangreiche Sammlung früher Orientfotografien gehört zu den Schätzen des Seminars für Orientalistik in Jena. Mit über 650 großformatigen Originalabzügen der berühmten Fotostudios aus Konstantinopel, Beirut, Kairo, Alexandria und Algier aus der Zeit zwischen 1850 und 1890 ist sie eine der bedeutendsten Sammlungen ihrer Art. Sie wurde von dem Dresdner Geologen und Lateinamerikaforscher Alphons Stübel (1835–1904) zusammengetragen und kam Anfang des 20. Jahrhunderts in den Besitz der Universität Jena.

Die Fotografien des 19. Jahrhunderts aus der Zeit vor Rollfilm und Massenfotografie sind nicht nur wichtige, bislang wenig genutzte Dokumente für die Architektur, Sozial- und Kunstgeschichte des Orients, sondern erlauben einen frischen Blick auf eine längst untergegangene Zeit, noch vor oder gerade am Beginn der umwälzenden Veränderungen in den Ländern des Vorderen Orients.

Alle Objekte der Sammlung können Sie hier Externer Linkeinsehen!

Ägypten, Elephantine, vor 1890, Albumin- oder Kollodiumpapierabzug, 27,5 x 21,8 cm

Foto: Zangaki

Orientfotografie

Der Franzose Louis Daguerre (1787–1851) hatte ein Verfahren erfunden, mit dem er Direktpositive auf Papier abbilden konnte. 1839 erwarb die französische Akademie der Wissenschaf­ten dieses, nach seinem Erfinder Daguerreotypie genannte, Verfahren und stellte es der Allgemeinheit zur Verfügung. Ein wichtiges Anwendungsfeld war die Aufnahme von Hieroglyphen auf ägyptischen Monumenten. 1847 kam mit dem Albuminpapier das erste Verfahren auf den Markt, mit dem in beliebiger Menge fotografische Abzüge von Negativen gemacht werden konnten. Die Bilder zeichnen sich durch einen Detailreichtum aus, der von keinem anderen Fotopapier erreicht wird. Die meisten Bilder der Alphons-Stübel-Sammlung sind Albuminpanierabzüge.  

Der wichtigste Grund für die rasche Ausbreitung der Orientfotografie war der seit den 1830er Jahren einsetzende Tourismus des wohlhabenden europäischen Bürgertums. 1835 wurde eine regelmä­ßige Fährverbindung zwischen Marseille und Alexandria eingerichtet, und 1869 bot Thomas Cook die erste Pauschalreise nach Ägypten an. Fotografien waren preiswerte und einfach zu transportierende Reiseandenken und ein beliebtes Sammelobjekt.

Kairo, Pilgerkarawane, vor 1890, Albuminpapierabzug, 22,5 x 19,2 cm

Foto: Abdullah Frères (tätig ca. 1858–1899)

Die Fotografen

Fotografen der ersten Generation waren ein­zelne Europäer, die durch ihren Beruf – der Schotte James Robertson war Chefgraveur der osmanischen Münzstätte – oder aus Reiselust in den Orient kamen. Die Fotografen der zweiten Genera­tion waren häufig christliche Bürger des osmanischen Reiches, Griechen wie Zangaki, aber vor allem Armenier wie G. Lékégian und Abdullah Frères (Abdullahian). Sie alle dokumentieren mit ihren Aufnahmen eine Zeit, in der sich der Orient an der Schwelle zur Moderne befand. Wie bei Wilhelm Hammerschmidt, Robert Murray oder der Jenaer Neuentdeckung D. Claus sind die Lebensumstände der meisten frühen Fotografen unbekannt

1889 wurde mit der Kodak Nr. 1 eine preiswerte Rollfilmkamera eingeführt, die dem Touristen seine eigenen fotografi­schen Ansichten erlaubte und das Fotografieren zu einem einfachen Vergnügen für jedermann machte („You press the button, we do the rest.“). Damit verloren die professionellen Fotostudios an Bedeutung.

Ein einzigartiges Beispiel für private Reisefotografie bieten die rund 400 kleinformatigen Abzüge, die Alphons Stübel auf seiner letzten Orientreise 1889–1890 aufgenommen hat. Dafür benutzte er wohl eine Kodak Eastman, wie aus einer Korrespondenz hervorgeht, die sich im Nachlass StübelsExterner Link im Archiv für Geografie des Leibniz-Instituts für Länderkunde in Leipzig befindet. Die sorgfältig in Alben eingesteckten Bilder dokumentieren Stübels Reise von Ägypten über Palästina nach Syrien.

Konstantinopel (Istanbul), vor 1857, Salzpapierabzug vom Papiernegativ, 13,5 x 21,9 cm

Foto: James Robertson (1813–1888)

Der Sammler

Der aus Dresden stammende Alphons Stübel war auf mehreren Gebieten wissenschaftlich tätig. Er arbeitete und reiste als Geograf und Geologe, betrieb aber ebenso praktische Archäologie. Seine Südamerika-Expedition 1867–1876 gilt bis heute als Pionierleistung der Erforschung des präkolumbianischen Amerikas. Mit seinen Sammlungen von Naturalia, Zeichnungen, Kartenwerken und Fotografien legte er die Grundlage für die Abteilung für vergleichende Länderkunde im Museum für Völkerkunde des Grassi-Museums LeipzigExterner Link.

Zum Bestand Alphons-Stübel-Sammlung früher Orientfotografien gehören neben den von ihm selbst aufgenommen Fotografien 540 Papierabzüge, die er auf seinen Reisen erworben hat. Die Abzüge, deren Formate zwischen 250 x 450 mm und 150 x 90 mm liegen, wurden einzeln, paarweise oder in Gruppen auf Karton aufgebracht und auf der Rückseite handschriftlich beschriftet. Dazu kommen einige Karten und kleinformatige Aufnahmen.

Die gesamte Sammlung wurde zwischen 1856 und 1890 angelegt und beinhaltet zahlreiche Aufnahmen aus Ägypten, Palästina, Syrien, Konstantinopel, Jordanien, dem Libanon, der Arabischen Halbinsel und wenige aus Griechenland und Italien. Die meisten wurden von prominenten Fotostudios des 19. Jahrhunderts gefertigt, während einige von bisher wenig unbeachteten oder unbekannten Fotografen stammen.

Die Sammlung gelangte über den Neffen Stübels, der diese nach dem Tod des Sammlers geerbt hatte, in den Besitz der Universität Jena.

Auch von seinen Südamerikareisen (1868–1877) hat Stübel Fotos mitgebracht. Sie sind in der Collection Alphons StübelExterner Link des Leibniz-Instituts für Länderkunde in Leipzig versammelt.

Jenaer Reisende

Ein weiterer Orientreisender mit Verbindung zur Universität Jena war der Botaniker Carl Haussknecht (1838–1903). Sein Herbarium mit 3,5 Millionen Pflanzenbelegen gehört zu den bedeutendsten botanischen Sammlungen in Europa (Herbarium Haussknecht). Von seinen Reisen brachte er auch Münzen mit, von denen sich heute rund 300 Stück im Orientalischen Münzkabinett Jena befinden (Haussnkecht als MünzsammlerExterner Link).

Näheres zu seinen Reisen in das Osmanisches Reich und nach Persien sowie eine kommentierte Ausgabe seines Tagebuchs bietet das DFG-Projekt „Die Reisen des Botanikers Karl HaussknechtExterner Link“.

Literatur

Stefan Heidemann und Babett Forster: Das Orientalische Münzkabinett und die Alphons-Stübel-Sammlung früher Orientphotographien. Orientalische Sammlungen an der Universität Jena, Wiesbaden 2019.

Babett Forster: Fotografien als Sammlungsobjekte im 19. Jahrhundert. Die Alphons-Stübel-Sammlung früher Orientfotografien, Jena 2010.

Matthias Gründig: Der Schah in der Schachtel. Soziale Bildpraktiken im Zeitalter der Carte de visite, Marburg 2016.

Bitte kontaktieren Sie uns, wenn Sie Interesse an der wissenschaftlichen Arbeit mit der Alphons-Stübel-Sammlung früher Orientfotografien haben.

Leitung

Frank Weigelt, Univ.-Prof. Dr.
vCard
Prof. Dr. Frank Weigelt
Foto: Anne Günther (Universität Jena)
Raum 208
Zwätzengasse 4
07743 Jena Google Maps – LageplanExterner Link
Sprechzeiten:
Donnerstag 14:00 bis 16:00 Uhr