Die "Feminisierung" von Religion, Religiosität und Kirche(n) in der Moderne galt lange als Masternarrativ der Kultur- und Sozialgeschichte der Religion. Die "Feminisierungsthese" trug maßgeblich dazu bei, dieses Forschungsfeld für die Geschlechtergeschichte zu erschließen. Die Konzentration auf Frauen führte aber dazu, dass Männer als religiöse Subjekte in einer vermeintlich zunehmend säkularisierten Welt kaum noch wahrgenommen wurden. Jedoch belegen neuere Arbeiten, dass die Feminisierung keineswegs Männer von religiösen Aktivitäten ausschloss und dass Religion einen wichtigen Faktor für männliche Identität und Rollenmodelle in der Moderne bildete. Dieser Perspektivenwechsel hin zur religiösen Männlichkeit ist erst in Ansätzen bearbeitet. Komparative und konfessionsübergreifende Aspekte wurden bislang kaum thematisiert.
Eine Bestandsaufnahme der internationalen Forschungen zum Thema nahm die von der DFG geförderte Tagung "Religion und Männlichkeit in der Moderne. Neue interdisziplinäre und transnationale Forschungsperspektiven (18. bis frühes 20. Jahrhundert)" (14.-16.09.2011, Friedrich-Schiller-Universität Jena) vor. Ihr Ziel war es, im Kreise internationaler ExpertInnen aus verschiedenen Disziplinen konfessionelle und nationale Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten sowie transnationalen Zusammenhängen nachzugehen. Sie verfolgte dabei eine innovative, konsequent konfessionsübergreifende, Katholizismus, Protestantismus und Judentum einbeziehende Perspektive. Gefragt wurde etwa nach dem Zusammenhang zwischen konfessioneller und nationaler Identität, religiösen Männlichkeitskonstruktionen und Rollenbildern, nach männlicher Frömmigkeit sowie nach Bemühungen um die (Re-)Maskulinisierung einer vermeintlich zu sehr feminisierten Kirche und Religion ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert. Die Tagung sollte dazu beitragen, neue länderübergreifende Forschungsansätze zu entwickeln und die vielfältigen Bedeutungen von Religion und Religiosität bei der Konstituierung moderner Männlichkeiten neu zu bestimmen. → Tagungsprogrammpdf, 174 kb
Kontakt: Prof. Dr. Gisela Mettele