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20. – 21. November 202520. – 21. November 2025Workshop
Figuren, Typen und Bilder des Sozialen im 19. und 20. Jahrhundert: Praktiken sozialen Imaginierens in Wissens-und Wissenschaftsgeschichte
"It is no easy matter […] to arrange the several varieties of work into ‚orders‘, and to group the
manifold species of arts under few comprehensive genera, so that the mind may grasp the
whole at one effort – it is a task of most perplexing character“, schrieb Henry Mayhew in
London Labour and the London poor (1849–1851). Mayhews frühe Londoner Sozialforschung
ist bekannt – weit weniger jedoch, dass er Ende der 1830er Jahre in Paris lebte als dort das
neue Medium illustrierter Journale und Sammelpublikationen seine Hochzeit erlebte, mit dem
Bilder und Texte, künstlerisch-literarische und wissenschaftsnahe Kreise in neuer, kreativer
Weise zusammengeführt wurden. Zurück in London wirkte auch Mayhew zwischen populärer
Publizistik und Sozialstatistik und griff für letztere bewusst auf bildliche Darstellungen sozialer
Typen zurück, mit denen er Vorstellungen des Sozialen grundlegend mitprägte.
Mayhews Fall verweist auf Prozesse der Formwerdung, Naturalisierung und Essentialisierung
zwischen literarisch-künstlerischer und wissenschaftlicher Typenbildung, wie sie einerseits in
der Sozialkarikatur Honoré Daumiers oder Honoré de Balzacs sichtbar werden und
andererseits in Quetelets „Durchschnittsmensch“, Webers „Idealtypus“, Durkheims „kollektiven
Repräsentationen“ und Kracauers „Angestellten“ bis zum abstrakten „Für Sich“ der
Gesellschaft bei Castoriadis. Hier setzt unser interdisziplinärer Workshop an, der sich für die
Verflechtungsgeschichte zwischen konkreten Bildern des Sozialen, Sozialtypen und
Sozialfiguren und für die Praktiken sozialen Imaginierens zwischen Individuum und
Gesellschaft in Literatur, Kunst und den Wissenschaften interessiert. Konkret stellt der
Workshop die Frage, wie im frühen 19. Jahrhundert soziale Vorstellungen mittels visueller
Techniken der Beobachtung, Modellierung und Darstellung Form gewannen, etwa in
Zeichnungen und Daguerreotypien, Karten, Tabellen und Diagrammen, im Medium des
Journals, Romans, der Sozialreportage oder der wissenschaftlichen Abhandlung. Weiter
fragen wir, wie geistes-, kultur- und sozialwissenschaftliche Begriffs- und Theoriebildung
im breiten Kontext des sogenannten sozialen Imaginären davon beeinflusst wurden. Uns
interessieren kultur- und literaturwissenschaftliche, wissensgeschichtliche und
historisch-epistemologische Perspektiven, die mit einem besonderen Interesse für
Visuelle Kultur / Bildwissenschaft / Kunstgeschichte Mikrostudien zu einzelnen Figuren,
Typen und Bildern des Sozialen verfolgen; darüber hinaus diachrone Studien, die Verbindungen
zwischen konkreten Bildern und abstrakten Vorstellungen aufzeigen; zum Gegenstand werden
können epistemische Praktiken und Instrumente im Kontext von Skizzenbuch, Protokoll, Pinsel
und Farbe, Kamera, Zeichengerät oder Messinstrument; oder etwa biografische Zugänge und
/ oder personelle Verflechtungen.
Wir freuen uns über die Zusendung von Abstracts (max. 400 Wörter, im pdf-Format) mit
Vorschlägen für ca. 25-minütige Präsentationen zusammen mit einer Kurzvita bis zum
02.05.2025 an adriana.markantonatos@uni-jena.de. Die Präsentationen erfolgen in
englischer Sprache, die Diskussionen bilingual englisch / deutsch. Der Workshop findet in
Erfurt statt. Reise- und Übernachtungskosten werden von den Veranstaltern übernommen.
Der Workshop ist ein Kooperationsprojekt der Nachwuchsforschungsgruppe „Kulturtechnik
Imagination. Zeichnerische Praktiken und Dynamiken sozialen Imaginierens in illustrierten
Printmedien der Moderne” der Friedrich-Schiller-Universität Jena (Maxim Braun, Jasmin
Köhler, Adriana Markantonatos), der Professur für Kulturgeschichte der Friedrich-SchillerUniversität Jena (Anja Laukötter) und der Professur für Wissenschaftsgeschichte der
Universität Erfurt (Bernhard Kleeberg). Er wird im Rahmen der Exzellenzcluster-Initiative
„Imaginamics. Praktiken und Dynamiken sozialen Imaginierens“ der Friedrich-SchillerUniversität Jena (zusammen mit den Universitäten Erfurt, Halle, Weimar) ausgetragen und
finanziert.