Meldung vom: | Verfasser/in: Stephan Laudien
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Mit dem Ziel, die griechische Kultur und die Vielfalt der griechischen Sprache zu erforschen, wurde jetzt an der Friedrich-Schiller-Universität Jena die „Forschungsstelle Bessarion“ gegründet. Thede Kahl, Professor für Südslawistik, und Dr. Sotirios Rousiakis erforschen mit externen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Dialekte des Griechischen und bislang wenig beachtete Aspekte der griechischen Kultur. Feierlich eröffnet wird die „Forschungsstelle Bessarion“ am Mittwoch (8. November 2023) mit einem kleinen Festakt und Konzert im Auditorium „Zur Rosen“ (Johannisstraße 13). Die öffentliche Veranstaltung beginnt um 17.30 Uhr, Gäste sind herzlich willkommen.
Zu den Förderern gehören die Pontos-Griechen
„Das Griechische kennt etwa zehn Dialekte, die sich zum Teil so stark unterscheiden, dass sie beinahe als eigenständige Sprachen gelten können“, sagt Prof. Dr. Thede Kahl. Dieser Befund sei durchaus nicht verwunderlich, da sich griechische Siedlungen schon in vorchristlicher Zeit weit verstreut in der Mittelmeerregion befanden. Später gab es zahlreiche Migrationsbewegungen, etwa im Zuge der gewaltsamen Vertreibung aus Kleinasien, die während des Ersten Weltkriegs begannen. Betroffen waren davon u. a. die sogenannten Pontos-Griechen, die nach dem Pontos Euxeinos (Gastliches Meer – Schwarzes Meer) benannt wurden. Nachfahren jener Pontos-Griechen gehören jetzt zu den finanziellen Förderern der neuen Forschungsstelle, etwa der Verein „Euxinos Pontos – Cardinal Bessario“ aus Nürnberg, aber auch andere Stiftungen wie „Elliniko Spiti – Griechisches Haus“ und die American Hellenic Educational Progressive Association.
Die Vielfalt der Dialekte aufnehmen und bewahren
Um die Vielfalt des Griechischen zu bewahren, müsse das Ansehen der Dialekte und Mundarten verbessert werden, sagt Thede Kahl. Noch vor wenigen Jahren seien „Abweichungen“ von einer griechischen Hochsprache verpönt gewesen, weshalb es heute die kuriose Situation gibt, dass jüngere Sprecher die Dialekte besser beherrschen als ihre Eltern oder Großeltern. „Wir interviewen Sprecherinnen und Sprecher und bewahren die Aufnahmen im Archiv LaZAR“, sagt Prof. Kahl. Ein Ziel der Plattform LaZAR, die auf ein Jenaer DFG-Projekt zurückgeht, sei es, die Sprachvarietäten zu bewahren und zugleich zugänglich zu machen. Parallel dazu werde ein Archiv namens EthnoTesaurus genutzt. Um die Dialekte zu bewahren, müsse zunächst ein Standard definiert werden, sagt Thede Kahl. Feldforschung sei dafür unerlässlich. Im Rahmen dieser Forschung wird ein Netzwerk aufgebaut, dem u. a. die Universitäten Wien und Thessaloniki und griechische Kulturvereine angehören.
Lokale Produkte wie Safran oder Raki im Fokus der Forschung
Ein weiteres Aufgabenfeld der neuen Forschungsstelle ist die Geschichte der Griechen in der spätosmanischen Zeit in Kleinasien. Zudem gibt es einen Fokus auf das bedrohte immaterielle Kulturerbe der Griechen. „Es geht dabei um lokale Produkte und ihre Herstellungsmethoden“, so Thede Kahl. Darunter seien die Seidenraupenzucht in Soufli, der Krokus-Anbau zur Safrangewinnung in Kozani und Serres sowie das Brennen des „gerösteten“ Raki auf Amorgos. Ziel sei es, die Kenntnisse über alte Herstellungsmethoden zu erforschen und weiterzutragen. Dabei sollen die lokalen Gemeinschaften eingebunden werden.
Namensgeber der neuen Forschungsstelle ist Bessarion von Trapezunt (zw. 1399 und 1408-1472), ein byzantinischer Humanist, Theologe, Kirchenpolitiker, Diplomat und Kardinal. Seit 1463 lateinischer Patriarch von Konstantinopel im Exil, erwarb sich Bessarion Verdienste bei der Verbreitung der griechischen Kultur und Sprache in Europa.