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Die ersten Bewohner:innen des "Endes der Welt" 

Anerkennung durch den argentinischen Staat
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Foto: ARCOSUR
Victor Vargas Filgueira
Victor Vargas Filgueira
Screenshot: ARCOSUR

Die indigene Gemeinschaft Yagán Paiakoala, die heute in Ushuaia (Provinz Feuerland, Antarktis und südatlantische Inseln) lebt, wurde im Februar 2021 vom Nationalen Register für indigene Gemeinschaften INAI der Republik Argentinien mit Rechtsstatus anerkannt (wie es in Artikel 75, Absatz 17 der nationalen Verfassung vorgeschrieben ist). Der Beschluss wurde im Amtlichen MitteilungsblattExterner Link veröffentlicht.

Diese Nachricht ist von höchster Wichtigkeit für das Volk der Yaganes sowie auch von großem Interesse für die interdisziplinäre Forschungsarbeit des Internationalen Forschungskollegs Argentinien/Cono Sur (ARCOSUR) der Friedrich-Schiller-Universität Jena  – speziell für das DAAD-finanzierte Thematische Netzwerk "Transnationaler Wandel am Beispiel Patagoniens" und die Arbeit des Maria Sibylla Merian-Regionalzentrums CALAS Cono Sur zu "Regional Identities in multiple crisesExterner Link". 

Víctor Vargas Filgueira, erster Ratsvorsitzender der indigenen Gemeinde Yagán Paiakoala aus Ushuaia in Feuerland, Argentinien, teilte der PresseExterner Link mit, das INAI habe nun nach sieben Jahren Kampf die Existenz seines Volkes gesetzlich anerkannt. Der Beschluss komme aktuell 11 Familien mit insgesamt 150 Personen zugute. Diese Anerkennung sei ein Meilenstein in der Geschichte seines Volkes, denn sie bedeute das Recht auf Land, das Recht auf menschenwürdige Arbeit, das Recht auf Altersversorgung und unterstütze vor allem auch grundsätzlich den Prozess der Wiederbelebung der Kultur und Sprache der Yámana (háusi kúta).Vargas Filgueira weist darauf hin, dass das Volk der Yámana oder Yaganes bereits seit circa 6500 Jahren Teil der Identität Feuerlands und das südlichste Volk der Welt sei, das nomadisch auf Kanus gelebt habe. Er hebt auch die Vielzahl archäologischer Fundstätte seines Volkes an der Küste Ushuaias am Beagle-Kanal (Onashaga) hervor. Diese lange vergessene Geschichte werde heute wiederaufgearbeitet und, ebenso wie die sich in einem Prozess der Wiederbelebung befindliche Sprache der Yámana, an den Schulen unterrichtet. 

Zudem erklärt der erste Ratsvorsitzende der indigenen Gemeinde Yagán Paiakoala aus Ushuaia, die Identität der Yaganes sei letztlich eine Art gemeinsamer Wurzel aller Bewohner:innen Feuerlands – ganz unabhängig davon, ob sie auf Feuerland geboren, aufgewachsen oder zugezogen seien. Diese Identität wird heute, wie Víctor Vargas Filgueira herausstellt, an Universitäten in Frankreich und Deutschland untersucht. So hielt der Autor von Mi sangre yagán (Ushuaia: Editora Cultural Tierra del Fuego 2017) etwa im Februar 2021 einen online-Vortrag an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und diskutierte mit Studierenden der Romanistik Aspekte der Kultur seiner Vorfahren. 

Diese Resonanz an europäischen Universitäten, ebenso wie der in der Sprache der Yámana gedrehte Dokumentarfilm Twakana Yagán / Enseñanza Yagán (Waia Films 2020), zeigt Vargas Filgueira zufolge das große Interesse an der Rekonstruktion der Geschichte seines Volkes sowie auch die Notwendigkeit, eine "andere Geschichte" jenseits der Gründungsmythen der Eroberung und Nationalstaatenbildung zu erzählen. Dieses Interesse stelle auch eine große Hilfe dar, sich als Volk wiederzuentdecken und neu zu erfinden. 

Gleichzeitig erinnert er daran, dass der letzte Yágan nicht 1974 gestorben sei (wie Vargas Filgueira es in einem Zeitungsartikel behauptet fand, den er bei seinem Besuch in Frankreich im Oktober 2019 im Anne Chapman-Archiv entdeckt hatte). Im Gegenteil: "wir, das Volk der Yaganes, leben immer noch auf Feuerland, wir gehören zu den ersten Bewohnern des 'Endes der Welt' und wir nehmen Rücksicht und schützen unsere Natur, besonders im Rahmen des derzeitigen Klimawandels".

Abschließend schildert er der Presse, dass das Volk der Yaganes Teil der Natur sei und dass die Gesellschaft aus der derzeitigen Pandemie mit einer veränderten Mentalität hervorgehen werde. Es sei notwendig, die Mehrheit der Weltbevölkerung zu "indigenisieren", damit die Menschheit lerne, wie indigene Völker zu denken und also über die Denkweise der westlich geprägten Metropolen hinausgehe. 

Weitere Informationen über das Volk der Yaganes ist im Museo del Fin del MundoExterner Link zu finden