Datenerhebung

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In der Pragmatik stellen authentische, gesprochensprachliche Daten die Analysegrundlage dar. Die Datenerhebung bezeichnet hierbei die Aufzeichnung und Sammlung von gesprochensprachlichen, natürlichen Interaktionen. Zumeist werden face-to-face-Interaktionen untersucht, allerdings können auch Audio- und/oder Videodaten per Telefon oder über digitale Onlinetools erhoben werden. Der Fokus liegt auf medial mündlichen Daten. Trotzdem sei an dieser Stelle der Hinweis gegeben, dass auch konzeptionell mündliche Daten in schriftlicher Form (Chat-Nachrichten) analysiert werden könnten. 

  • Was sind authentische Daten?
    • Natürliche (Alltags-)Interaktionen, nicht gestellt 

    • Beobachterparadoxon: sobald Daten zu einem speziellen Zweck erhoben werden, beeinflusst dies die Interaktion (ungewollt) >> muss bei einer Analyse berücksichtigt werden

    • William Labov 1972 beschreibt in seinem Buch „Sociolinguistic Patterns“ das Beobachterparadoxon wie folgt: „the aim of linguistic research is the community must be to find out how people talk when they are not being systematically observed; yet we can only obtain these data by systematic observation“ (1972: 209)

    • Audio- und ggf. Videoaufnahmen ermöglichen umfassende Analyse

    • Teilnehmende sollten den Grund der Erhebung nicht kennen, um nicht beeinflusst zu werden (hinterher auf Wunsch Zweck mitteilen)

    • Aufnahmeleitung sollte möglichst nicht aktiv an der Erhebung teilnehmen

    • Mögliche Formate: Alltagsgespräch, (Interview)

    • Beachte: Die Auswirkung unterschiedlicher Formate auf die Authentizität muss immer reflektiert werden (vgl. Schank (1979), Deppermann (2014))
  • Welche Erhebungsarten gibt es?

    Face-to-Face Erhebung

    • Audio- und Videoaufnahmen (Datenschutz beachten!)

    • Achten Sie auf eine gute visuelle und auditive Aufnahmeumgebung

    Online-Erhebung (z.B. Zoom)

      • Audio- und Videoaufnahmen (Datenschutz beachten!)

    • Zur Video-Erhebung sind u.a. Zoom oder Skype geeignet. Hier wird angezeigt, ob die Aufnahme läuft. Bei Zoom erhalten alle Teilnehmenden die Anfrage, ob sie mit der Aufnahme einverstanden sind und müssen diese bestätigen, bevor die Aufnahme gestartet werden kann

    • Zu beachten bei den Onlineerhebungen: Störungen in der Internetverbindung haben direkten Einfluss auf die Aufnahmequalität; sobald mehrere Personen gleichzeitig sprechen leidet die Qualität

    • Zur Erhebung von Online-Audioaufnahmen können Podcastprogramme (z.B. Cleanfeed) verwendet werden. Starten Sie die Aufnahme, sobald alle Teilnehmenden bereit sind. Das Laufen der Aufnahme wird durch einen Timer und/oder ein Symbol (z.B. leuchtendes Lämpchen) angezeigt

    Telefon-Erhebung

    • Audioaufnahmen

    • Wichtig: Ohne ausdrückliche Zustimmung ist die Aufzeichnung von Telefongesprächen in Deutschland eine Straftat!

    • Daher: erst absichern, dann erfolgt die Aufzeichnung. Am besten vor dem Gespräch alle nötigen Dokumente unterschreiben lassen

    • Android-Nutzer:innen können z.B. Cube ACR nutzen, für iPhone-Nutzer:innen gibt es kaum akzeptable und kostenfreie Apps

    • Alternativ Aufzeichnung des Gesprächs durch Einschalten des Lautsprechers und eines weiteren Aufnahmegeräts. Hierbei unbedingt auf eine ruhige Umgebung achten, da sonst die Qualität der Aufnahme zu schlecht sein kann

    Allgemeine Hinweise zu Audio- und Videoaufnahmen

    • Häufig reicht die Aufnahmequalität moderner Smartphones für Audioaufnahmen aus

    • Besser ist ein professionelles Richtmikrophon (je besser die Aufnahme, desto besser und einfacher ist die Aufbereitung)

    • Wenn möglich zwei Geräte nutzen, falls der Akku nicht ausreicht oder die Speicherkarte voll sein sollte

    • Tipp: Ausleihen von Aufnahmetechnik durch das Multimediazentrum der Uni Jena (Camcorder, Audio Recorder, Speicherkarten)

    • Für Videoaufnahmen überprüfen Sie vorab:
      • Benötigen Sie ein Stativ?
      • Wo positionieren Sie das Aufnahmegerät?
      • Welche Kameraperspektive ist nötig? (Nur frontale Aufnahme oder zusätzliche Perspektiven nötig?)
  • Worauf sollte VOR einer Erhebung geachtet werden?
    • Welche Art von Daten wird benötigt? Das wirkt sich auf die Auswahl und Größe der Stichprobe aus

    • Wie viele Daten brauchen Sie für Ihre Untersuchung? Das wirkt sich auf die Anzahl der Aufnahmen aus

    • Bei Interviews: Überlegen Sie sich vorher Fragen, damit die Daten vergleichbar sind

    • Erstellung eines Fragebogens zur Erhebung persönlicher und soziodemographischer Daten

    • Offenes vs. geschlossenes Konzept (natürliches Gespräch vs. Interview oder Themenvorgabe)

    • Allgemein gilt, je länger die Aufnahme ist, desto besser. Aber: der zeitliche Rahmen sollte für die Teilnehmenden angemessen sein
  • Worauf sollte WÄHREND einer Erhebung geachtet werden?
    • Anzahl der Teilnehmenden beachten (je mehr Personen beteiligt sind, desto aufwendiger wird die Datenaufbereitung)

    • Bei Videoaufnahmen: alle Teilnehmenden müssen gut sichtbar auf der Aufnahme sein (Beachten Sie Vor-/Nachteile dyadische Gespräche vs. Mehrpersonengespräche)

    •  Bei Videoaufnahmen auf die Kameraausrichtung achten: Sind alle Personen gut sichtbar? Ist der Zoom richtig eingestellt? Steht die Kamera stabil? Sind die Lichtverhältnisse passend? (Gegenlicht vermeiden, Teilnehmende sollte nicht geblendet werden)

    • Einwandfreie Technik (z.B. Akkuladung, ggf. zusätzliche Batterien, Stative, doppelte Aufnahmegeräte zur Sicherheit etc.)

    • Umgebungsgeräusche: Bevorzugen Sie einen ruhigen, geschlossenen Aufnahmeraum

    • Beachten Sie die Umgebung: Sind Gegenstände in greifbarer Nähe? Tassen, Stifte, Papier usw. könnten verwendet werden, erzeugen zusätzliche Geräusche und könnten (je nach Forschungsfrage) die Aufnahme stören oder aber auch hilfreich sein

    • Schließen Sie, wenn möglich, die Fenster

    • Hängen Sie, wenn möglich, einen Zettel auf, damit Sie bei der Aufnahme nicht gestört werden oder jemand durch das Bild läuft

    • Gratwanderung: natürliche Atmosphäre vs. saubere Aufnahme

    • Beachten Sie speziell auch bei Videoerhebungen das Beobachterparadoxon

    • Interaktion ist anders als bei face-to-face Gesprächen

    • Wichtig: Einverständnis der Teilnehmenden ist Voraussetzung
  • Worauf sollte NACH einer Erhebung geachtet werden?
    • Dokumentieren Sie die Gesprächssituation, jegliche Auffälligkeiten, Störungen und die allgemeine Stimmung

    • Vergeben Sie eine Sigle für jede/n Teilnehmende/n und achten Sie darauf, dass alle Dokumente mit der korrekten Sigle versehen werden, d.h. eindeutige Zuordnung aller Dokumente zur richtigen Person

    • Prüfen Sie die Daten: Ist die Aufnahme vollständig? Ist die Datei beschädigt? Ist die Qualität von Ton und Bild gut?

    •  Speichern Sie die Aufnahmen direkt, z.B. in der passwortgeschützen Cloud der FSU (Nextcloud) >> Vorteil: Datei ist sicher gespeichert (Achtung: dieser Art der Speicherung muss in der Datenschutzerklärung zugestimmt werden)

    • Legen Sie einen Ordner für alle ausgedruckten oder handschriftlichen Dokumente an

    • Falls vereinbart: Übergeben Sie den Teilnehmenden eine Kopie des Gesprächs

Literatur: 

Albert, Ruth und Cor J. Koster (2016): Empirie in Linguistik und Sprachlehrforschung: ein methodologisches Arbeitsbuch. Tübingen: Narr.

Deppermann, Arnulf (2014): Das Forschungsinterview als soziale Interaktionspraxis. In: Günter Mey & Katja Mruck (Hgg.), Qualitative Forschung: Analysen und Diskussionen – 10 Jahre Berliner Methodentreffen. Heidelberg: Springer, 133–150.

Dröge, Kai (2020). Qualitative Interviews am Telefon oder online durchführen – Informationen für Studierende. [URLExterner Link]

Liddicoat, Anthony J. (2011). An introduction to conversation analysis. Bloomsbury Publishing.

Paapanen, Eric (2003). Oracle Database Application Developer's Guide-Large Objects. 10g Release, 1(10.1). [URLExterner Link]

Schank, Gerd (1979): Zum Problem der Natürlichkeit von Gesprächen in der Konversationsanalyse. In: Jürgen Dittmann (Hg.), Arbeiten zur Konversationsanalyse. Tübingen: Niemeyer, 73–93.

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