15.10.24 Schachfiguren des Königs? Wie die babylonischen Herrscher einen Fuß in die Tempeltüren bekommen… – Dr. Anne Goddeeris, Universität Gent
In der gesamten babylonischen Geschichte gilt der Tempel als Lokus der unabhängigen städtischen Macht in Babylonien. Bereits im dritten Jahrtausend versuchten sumerische Könige ein gewisses Maß an Kontrolle über die städtischen Tempelinstitutionen zu erlangen, um ihren Griff auf die Städte zu konsolidieren. Doch blieb der Klerus eine unabhängige, mächtige und oft reiche Fraktion, deren Mitglieder von ihren Mitbürgern hochgeschätzt wurden.
In diesem Vortrag werde ich mich darauf konzentrieren, wie der König persönliche Beziehungen zu Mitgliedern des örtlichen Klerus aufbaut. Genauer gesagt werde ich die bislang unbekannte Institution des kārib šarri besprechen, des „Mannes, der für den König betet“, eine Institution die fast zwei Jahrtausende existiert hat, die aber bisher unserem assyriologischen Wissen entgangen ist.
Veranstaltungsort: Hilprecht-Sammlumg, Zwätzengasse 4 – Beginn: 16:15 Uhr
3.12.24 Nicht nur Sardanapal! Der Alte Orient auf der Bühne – apl. Prof. Dr. Ellen Rehm, Universität Münster
Die Aufführungen von Sardanapal 1853 in London und 1908 in Berlin sind bekannt. Die durch Kaiser Wilhelm in Berlin initiierte Vorstellung wurde vor allem wegen der damit verbundenen politischen Intension erforscht. Die Bühnenbilder der beiden genannten Aufführungen zeigen deutliche Anlehnung an die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ausgegrabenen assyrischen Paläste. Aber diese Bühnenbilder stehen in einer langen Reihe mit Dekoren nach altorientali-schen Vorbildern, die zum Beispiel für Aufführungen wie Esther, Salome oder Samson und Delila entworfen wurden. Auch war der Alte Orient bereits seit 1800 mit Anleihen an Vorbilder aus Persepolis auf den Bühnen präsent. Als Quelle sind neben Druckgrafiken oder Fotografien in Zeitschriften Sammlungen mit Bühnenbildentwürfen zu nennen.
Der Vortrag legt den Fokus auf die Vorbilder und stellt bislang unbekannte Bühnenbilder vor, wobei der Schwerpunkt auf der Zeit von 1853 bis 1930 liegt.
Veranstaltungsort: SR 141, UHG, Fürstengraben 1 – Beginn: 16:15 Uhr
21.1.25 Die assyrische Wortliste Šarru und die Kunst keilschriftlicher Lexikographie – Martin Schlegelmilch, M.A., Universität Jena
Aus dem mittelassyrischen Assur stammt das Fragment einer großen sumerisch-akkadischen Wortliste, die jedoch nach Ninive verbracht wurde, wo man auch Teile einer auf drei Tafeln angelegten Neufassung des Textes für die Bibliotheken Assurbanipals fand. Dieser letzte und dritte Teil der Serie (Šarru III) ist nahezu vollständig erhalten und wurde im Rahmen einer Masterarbeit zum ersten Mal zusammenhängend textkritisch erschlossen. Der Vortrag führt in die Eigenarten und die Geschichte der Wort- und Zeichenlisten als Ausdruck altmesopotamischer Schriftkunde und Gelehrsamkeit ein, um anschaulich zu machen, welchen Platz der Text in der langen Entwicklung der lexikalischen Tradition einnimmt. Rein formal den sog. „Gruppenvokabularen“ zuzuordnen, zeichnet sich Šarru III durch eine Vielzahl ausgeklügelter und bisweilen stark metaphorischer Schreibungen aus, wobei eine gewisse Vieldeutigkeit bei der Lesung sowie der zu beobachtenden Assoziations- bzw. Analogiemuster durchaus beabsichtigt ist. Wenngleich eine thematische Grundordnung nur teilweise auszumachen ist, können wir hier, im Lichte der neueren Forschung, ein Werk von großer wissenschaftsgeschichtlicher Bedeutung erkennen, gerade wegen seiner hierarchiearmen, assoziationsfreudigen Textgestalt. Außerdem sollen Ursprung und Rezeption der Liste vor dem Hintergrund der spannungsreichen assyrisch-babylonischen und auch inner-assyrischen Entwicklungen im stream of tradition des Wissens- und Literaturkanons beleuchtet werden – immerhin nimmt Šarru sehr explizit Bezug auf den literarischen Stoff des Gilgameš-Epos.
Veranstaltungsort: SR Accouchierhaus, Jenergasse 8 – Beginn: 16:15 Uhr