Merian CALAS Cono Sur

Colombian Day 2021

Merian CALAS Cono Sur und Brasilien
Merian CALAS Cono Sur
Illustration: CALAS
Plakat _Colombian Day 2021
Plakat _Colombian Day 2021
Illustration: JCR_FSU Jena

27.05.2021, Jena (online)

Die jährlich vom Jena Center for Reconciliation Studies (JCRS en) der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU Jena) organisierte Veranstaltung “Colombian Day” fand dieses Jahr unter dem Titel “Peace and reconciliation from a gender lens. A comparative perspective” statt.  Die diesjährige Tagung fand am 27. Mai 2021 wegen der internationalen Reisebeschränkungen durch die COVID-19-Krise über eine virtuelle Plattform statt. Das Event fand mit der Unterstützung des Maria Sibylla Merian Center for Advanced Latin American Studies (CALAS)Externer Link des Internationalen Forschungskollegs Argentinien/ConoSur (ARCOSUR es) und des Instituto Colombo Alemán para la Paz (CAPAZExterner Link) statt. 

Die gesamte Veranstaltung wurde von Prof. Dr. Martin Leiner und Dr. Luis Peña Berneth geleitet. Prof. Dr. Claudia Hammerschmidt war für die Begrüßungsworte zuständig.

In dieser Veranstaltung wird die Frage aufgeworfen: Was kann eine intersektionale und Gender-Perspektive zum Verständnis des Friedens- und Versöhnungsprozesses in Kolumbien beitragen? Wie bei früheren Gelegenheiten bietet die Veranstaltung die Möglichkeit, die kolumbianische Situation mit anderen Kontexten zu vergleichen. In diesem Fall waren es der Libanon und die Türkei. Die Präsentationen der Referierenden zeigten, dass es unterschiedliche Teile im ‘Puzzle’ von Frieden und Versöhnung gibt und dass Gender davon ein Teilstück ist.

Sie zeigten auch, dass, obwohl Gender Studies und Intersektionalität dazu beigetragen haben, die Existenz des "Teilstücks" Gender sichtbar zu machen, es epistemologische, ontologische und methodologische Barrieren gibt, die ein angemessenes Verständnis der Bedeutung von genderspezifischen Fragen verhindern.

Die Lektion der Referierenden war, dass Gender- und Intersektionale Perspektiven von grundlegender Bedeutung sind, um Machtverhältnisse, Formen der Viktimisierung und friedensfördernde Prozesse sichtbar zu machen, die nicht zutage treten, wenn über Gewalt, Frieden und Versöhnung aus abstrakten Akteursperspektiven gesprochen wird.

Gender- und intersektionale Analysen zielen darauf ab, Frieden neu zu definieren, sodass er die empirische Welt widerspiegelt und  für diejenigen Stimmen öffnet, die Konflikte und Kriege in ihren verschiedenen Ausprägungen und Erscheinungsformen tatsächlich erleben. Im kolumbianischen Fall eröffnete die Aufnahme von Gender in den Diskurs eine Kritik an den herrschenden Friedensdiskursen und stellte sowohl den Kontext, als auch die Handlungsfähigkeit von Menschen mit spezifischen Geschlechteridentitäten in den Vordergrund.

Colombian Day 2021
Colombian Day 2021
Foto: ARCOSUR

Während der Präsentationen des Colombian Day zeigte sich, dass das Verständnis von Gewalt, Frieden und Versöhnung aus einer Perspektive, die sich im Staat, in der sozialen Klasse oder in jeder anderen als strukturell erachteten Kategorie konzentriert, dazu neigt, die Akteure sowie die vielfältigen Möglichkeiten, wie Frieden ausgestaltet werden kann, zu verschleiern. Aus diesem Grund tragen intersektionale und Gender-Studien dazu bei, die Vielfalt der Formen, die der Frieden annehmen kann, sichtbar zu machen und zu verstehen, wer die Akteure des Friedens sind. Wenn sich der Fokus vom Staat auf das Individuelle verlagert, können die alltäglichen Subjekte, die "Frieden stiften", identifiziert werden.

Im Austausch zwischen den Teilnehmenden wurde argumentiert, dass sich das Verständnis von Gender in der Friedensförderung wesentlich vom liberalen Frieden (Frieden verstanden als Modernisierung, Entwicklung und Rechtsstaatlichkeit) unterscheidet, da bereits ein Verständnis von Frieden auf der alltäglichen Ebene der Gender-Beziehungen konkrete Aktanten aufzeigt.

Wie tragen nun Gender und Intersektionalität zum Verständnis von Frieden bei? Grundsätzlich liefern sie Inputs für die Formulierung von Politiken in Bezug auf das Erringen von Gerechtigkeit, Wiedergutmachung, die Schaffung von sozialem Wohlstand und für intersektionale territoriale Transformationen. Diese Komplexifizierung ist eine treibende Kraft für die Veränderung der Machtverhältnisse. Aus dieser Sichtweise wird verständlich, warum Frauen fordern, dass ihre Körper weder Kriegsbeute, noch ein Territorium von Gewalt seien.

Die Umsetzung eines genderspezifischen und intersektionalen Ansatzes in der Friedensförderung gestaltete sich in Kolumbien aus vier Gründen schwierig:

  • Die Gewalt hat auch nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens (Acuerdo de Paz) nicht aufgehört, während sich die derzeitige Regierung hauptsächlich aus politischen Sektoren zusammensetzt, die eine Umsetzung des Friedensabkommens gefährden.
  • Die Gegner des Friedensabkommens halten den Einschub der Begriffe Geschlecht, Ethnizität und Territorialität für eine Perversion. Ihrer Ansicht nach hätte das Abkommen ausschließlich aus der Demobilisierung und dem Gerichtsprozess gegen die Guerillakämpfer bestehen sollen.
  • Organisationen und Institutionen, die sich dem Gender-Ansatz verschrieben haben, stoßen auf Schwierigkeiten an Daten zu gelangen, die zeigen, welches Leid die Opfer im Konflikt erlitten.
  • Viele Bereiche der Gesellschaft, einschließlich einiger Wissenschaftler, übersehen die Bedeutung eines genderspezifischen Ansatzes für die Umsetzung des Friedensabkommens. Die Anerkennung politischer Innovationen, die dieser Ansatz leistet, gestaltet sich durch diesen Umgang schwierig.