Heisenberg-Professur für Melanie Weirich

Interview mit Melanie Weirich

Foto: Professur für Sprechwissenschaft und Phonetik

Wir begrüßen herzlich unsere neue Professorin Melanie Weirich. Sie ist Inhaberin einer Heisenberg-Professur für Sprechwissenschaft und Phonetik. Die Professur startet im November 2021 und läuft ca. 6,5 Jahre. Wir möchten Melanie Weirich mit einem kleinen Interview vorstellen:

Liebe Melanie, schön dass du bei uns bist! Jetzt bist du frisch gebackene Professorin für Sprechwissenschaft und Phonetik, herzlichen Glückwunsch! Bis zu einer Professur ist es ein langer Weg - wie hat denn bei dir alles angefangen?

Angefangen hat es mit einem Studium der Phonetik, Germanistik und Psychologie in Trier, promoviert habe ich dann in Berlin am ZAS. Ganz so gerade war der Weg allerdings nicht, zunächst habe ich nämlich Umweltwissenschaften studiert und zwischen Studium und Promotion Deutsch als Fremdsprache unterrichtet. Während meiner Promotion habe ich aber schnell gemerkt, dass mir das wissenschaftliche Arbeiten großen Spaß macht.

In meiner Doktorarbeit habe ich die Sprache von ein- und zweieiigen Zwillingen verglichen und analysiert, wie ähnlich die sich phonetisch sind. Kann man die Zwillinge an der Stimme unterscheiden? Bewegen sich ihre Zungen gleich? Das war toll, weil ich da auch gleich meinen Mann und seinen Bruder als Versuchspersonen nehmen konnte. Und die artikulatorischen Aufnahmen (mit elektromagnetischer Artikulographie, EMA) sind schon sehr besonders und aufregend. Man beklebt dabei Zunge und Lippen der Versuchspersonen mit kleinen Spulen und kann so deren Bewegungen beim Sprechen beobachten und aufzeichnen, um sie später zu analysieren und in meinem Fall zu vergleichen.

Bei der Vielzahl an Studien, an denen du mitgewirkt hast, gibt es bestimmt auch die eine oder andere, deren Ergebnis(se) dich überrascht haben?

Ja klar. Erstaunlich fand ich z.B., dass Männer, die sich selbst als feminin einschätzen auch von Hörerinnen als feminin eingeschätzt werden. Die Hörerseite ist sowieso oft spannend, denn hier können Stereotype eine große Rolle spielen. Weil wir meist in Kategorien denken und Vorurteilen aufliegen, z. B. wenn es um die Unterschiede zwischen Männern und Frauen geht. In einer Studie mit Adrian Simpson haben wir das Vorurteil der schnell sprechenden Frau untersucht. Studien haben nämlich gezeigt, dass eigentlich Männer tendenziell schneller sprechen. Wir haben herausgefunden, dass der Vokalraum, d.h. die akustische Distanz, die beim Sprechen bei der Produktion von Vokalen zurückgelegt wird, einen Einfluss auf das wahrgenommene Sprechtempo hat. Und da Frauen eben einen größeren Vokalraum haben als Männer, könnte das eine Erklärung für das verbreitete Stereotyp der schnell sprechenden Frau sein.

Es gibt ja manchmal das Vorurteil, Forschung sei etwas trocken. Den Eindruck habe ich bei dir nicht. Die Fragen, die du in deinen Studien stellst und deine Untersuchungsdesigns zeigen, dass du immer mit Menschen aus unterschiedlichen Kontexten arbeitest und dabei sicherlich viele spannende Dinge erlebst, oder?

Auf jeden Fall. Soziophonetisch zu forschen heißt, immer zu fragen: Wer spricht wie und warum? Mit meiner Kollegin Stefanie Jannedy am ZAS arbeite ich viel zum Kiezdeutsch. Das ist manchmal gar nicht so leicht, den Punkt zu erreichen, dass die Kids mit uns sprechen oder sie zu motivieren zu uns ins Labor zu kommen. Da muss man auch mal im Jugendzentrum Billard spielen um Vertrauen aufzubauen. Was wir wirklich gerne gemacht haben. Und es hat sich gelohnt: In diesen Studien haben wir viel über die Stereotypen und Erwartungen gelernt, die Hörer*innen mit Kiezdeutsch und auch Kiezdeutschsprechern verbinden. Ein überraschendes Teilergebnis hier war beispielsweise, dass die Hörererwartung einen sehr großen Einfluss hat: je nachdem, ob die Leute glaubten, ein Sprecher komme aus Kreuzberg (einem Stadtteil in dem viel Kiezdeutsch gesprochen wird) oder einem Stadtteil, der eher gutsituiert und mono-lingual ist, haben sie ein unterschiedliches Wort gehört. Vorgespielt wurde ihnen aber immer das gleiche.

Spannend war auch der Besuch des Schnellsprechers Georg Winter, der sogar bei „Wetten, dass…“ war und dessen Zunge wir beobachten konnten, während sie in rasender Geschwindigkeit Zungenbrecher artikuliert hat.

Deine Heisenberg-Professur läuft jetzt sechseinhalb Jahre. Was nimmst du dir für diese Zeit vor?

Ich möchte hier in Jena den Forschungsschwerpunkt der Soziophonetik weiter ausbauen. Die Soziophonetik steht in Deutschland noch am Anfang. Hier lag traditionsbedingt der Fokus auf der Dialektforschung und der Beschreibung regionaler Unterschiede. Da gibt es also noch viel zu tun. Ich möchte die sozialen bzw. identitätsbasierten Gründe für sprecherspezifische Variabilität in den Fokus rücken und Sprache im Licht verschiedenster Bereiche wie Gesellschaft, Kultur, Psychologie und Biologie verstehen, lehren und erforschen. Meine Forschung der nächsten Jahre innerhalb der Heisenbergförderung beschäftigt sich genau mit diesem Zusammenspiel von sozialen und biologischen Faktoren auf sprecherspezifische Variabilität. Beispielsweise schauen wir uns im Hinblick auf geschlechtsspezifische phonetische Parameter zum einen den Einfluss von Hormonen (wie Testosteron und Östrogen) an, zum anderen beleuchten wir auch Umweltfaktoren wie das berufliche Umfeld (z.B. Manager*innen vs. Erzieher*innen).

Mal aus Studierendenperspektive gefragt: Wie werden dich die Studierenden in dieser Zeit erleben?

Die Phonetik ist ein stark interdisziplinär ausgerichtetes Fach und liegt an der Schnittstelle zwischen Naturwissenschaften (Methoden) und Geistes- bzw. Sozialwissenschaften (Fragestellungen). Ich möchte daher auch in der Lehre den Fokus auf experimentelles Arbeiten legen und den Studierenden ein breites Methodenspektrum mit auf den Weg geben. Im ersten Jahr darf ich mich erstmal aufs Forschen konzentrieren, aber ab dem WS 2022/2023 werde ich auch Veranstaltungen übernehmen.

Natürlich gibt es für Studierende auch immer die Möglichkeit, in die aktuelle Forschungslage hinein zu schnuppern. Ganz aktuell suche ich noch motivierte Hilfskräfte, die Lust haben, sich aktiv ins Projekt einzubringen und längerfristig an einer empirischen Studie mitzuarbeiten. Und natürlich freuen wir uns auch über Studierende, die ihre Bachelorarbeit thematisch bei uns ansiedeln wollen und (auch aufgrund ihrer unterschiedlichen Kernfächer) zur breiten und interdisziplinären Forschung an unserem Lehrstuhl beitragen.

Liebe Melanie, herzlichen Dank für das Gespräch und alles Gute für deine Zukunft hier am Institut für Germanistische Sprachwissenschaft in Jena!