Ausgrabungen auf dem eisenzeitlichen Brandgräberfeld von Mühlen Eichsen

Mühlen Eichsen

Ein eisenzeitliches Brandgräberfeld
Ausgrabungen auf dem eisenzeitlichen Brandgräberfeld von Mühlen Eichsen
Foto: LAKD-MV.

Projekt Mühlen Eichsen

Das Brandgräberfeld der vorrömischen Eisenzeit, mit wenigen Bestattungen der älteren Römischen Kaiserzeit von Mühlen Eichsen (etwa 600 v.Chr. bis 100 n.Chr.) liegt nordwestlich von Schwerin. Mit seinen ca. 5000 bestatteten Individuen ist es eines der bedeutendsten Gräberfelder im Kerngebiet der Jastorfkultur.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entdeckt, wird es seit 1994 vom Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern in Zusammenarbeit mit dem Bereich für Ur- und Frühgeschichte der Friedrich-Schiller-Universität Jena kontinuierlich untersucht. Im Vordergrund der archäologischen Untersuchungen stehen Aussagen zum Bestattungsritus und Grabbau, zur sozialen Differenzierung der Bestatteten innerhalb des Gräberfeldkomplexes, zur Demographie, Chronologie, damaligen Umwelt und zur Anlage der Nekropole und deren Belegungskontinuität im Kontext der im Umfeld bestehenden Siedlungen.

Übersichtsplan

Foto: A. Schröter/FSU Jena

Brandgräberfeld der Jastorf-Kultur

Das Gräberfeld wurde Anfang des 20. Jahrhunderts beim Bau der Straße von Mühlen Eichsen nach Schwerin entdeckt, als Arbeiter zahlreiche Gräber freilegten. Die Steine der Grabbauten wurden als willkommenes Baumaterial genutzt, Urnen auf der Suche nach wertvollen Altertümern zerschlagen. Auf diese Weise gingen wohl um die 200 Bestattungen verloren. Nach ersten Ausgrabungen anno 1907 durch Robert Beltz kam es erst im Jahr 1992 im Zuge von Gasleitungsbauarbeiten zu modernen Untersuchungen und systematischen Begehungen der umliegenden Flächen. Ab 1994 fanden regelmäßige Ausgrabungen statt, da die Landwirtschaft Befunde bereits stark in Mitleidenschaft gezogen hatten. Nach und nach wurde die enorme Ausdehnung des Gräberfeldes erkannt. Der Lehrstuhl für Ur- und Frühgeschichte der FSU Jena war seit 2000 an den Grabungskampagnen beteiligt. Im Jahr 2003 kamen die Grabungen zu ihrem vorläufigen Abschluss. Insgesamt konnten bisher über 6200 Befunde, darunter etwa 4650 Bestattungen freigelegt werden. Das macht das Gräberfeld von Mühlen Eichsen zu einem der größten der Vorrömischen Eisenzeit Norddeutschlands.

Ausprägungen des Grabbaus in Mühlen Eichsen. Grabstelle mit Steinplasterung

Foto: LAKD M.-V.

Die Bestattungen verteilen sich nicht gleichmäßig auf dem Gräberfeld, sondern sind in fünf Gruppen angeordnet, die sich anhand der Belegungsdichte sowie der Grabbauten voneinander trennen lassen; deren größte ist die Nordgruppe mit mehr als 1000 Gräbern, die kleinste ist die Nordwestgruppe mit rund 320 sicheren Bestattungen. Anhand der nahezu kreisförmigen Gruppierung von Gräbern um bestimmte, beinahe befundleere Areale innerhalb des Gräberfeldes wurde ersichtlich, dass das Gräberfeld im Bereich eines vorhergehenden, bronzezeitlichen Bestattungsplatzes angelegt wurde. Wie üblich in der Vorrömischen Eisenzeit, handelt es sich bei sämtlichen Bestattungen des Gräberfeldes um Brandbestattungen (Ausnahme ist eine einzelne, mit rein archäologischen Mitteln nicht datierbare Körperbestattung). Darüber hinaus zeigen sich unterschiedlichste Ausprägungen des Grabbaus. Urnengräber treten häufiger auf als Leichenbrandschüttungen.

Seit dem Jahr 2000 sind Wissenschaftler und Studierende des Seminars für Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie an der Aufarbeitung und Auswertung des Gräberfeldes von Mühlen Eichsen beteiligt. Neben zahlreichen Publikationen zum Bearbeitungsstand sind es insbesondere von Jenaer Absolventen angefertigte Abschlussarbeiten, die sich mit der Auswertung der Südgruppe des Gräberfeldes beschäftigen. Derzeit befinden sich zwei Bände ­zu dieser Gruppe, ein Katalog- und Tafelband sowie ein Auswertungsband, ­ in der Vorbereitung für die Drucklegung. Mittelfristig ist die Publikation des Materials der Westgruppe geplant (Magisterarbeiten R. Dapschauskas/S. Tamás). Eine laufende Dissertation (M. Mewes) widmet sich der Aufarbeitung der Nordwestgruppe. Neben der Frage nach der Genese der Befundlage und der Abgrenzung der Gruppe zum restlichen Gräberfeld steht im Kern die antiquarische Dokumentation und typochronologische Auswertung des Befund- und Fundmaterials, daran anschließenden Fragestellungen zur Chorologie innerhalb des Gräberfeldes und darüber hinaus sowie Fragen zu Möglichkeiten und Grenzen sozialer Differenzierung.

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Fundmaterial

  • Brandgräberfeld Mühlen-Eichsen: Fibel
    Brandgräberfeld Mühlen-Eichsen: Fibel
    Foto: Ivonne Przemuß
  • Fundspektrum der Südgruppe Mühlen Eichsen Fibeln
    Fundspektrum der Südgruppe Mühlen Eichsen Fibeln
    Foto: Ivonne Przemuß
  • Fundspektrum der Südgruppe Mühlen Eichsen: Nadeln
    Fundspektrum der Südgruppe Mühlen Eichsen: Nadeln
    Foto: Ivonne Przemuß

Das Beigabenspektrum zeigt ausschließlich Keramik und Metall, neben Urnen und einigen wenigen Beigefäßen vor allem Schmuck und Trachtbestandteile. Zu nennen ist ein Spektrum an einheimischen (wie etwa Flügelnadelnfibeln) und latènoiden Fibeln (zum Beispiel Mittellatènefibeln mit Bügelkugeln), zahlreiche Nadeln wie etwa Holsteiner Nadeln, Flügelnadeln oder Bombenkopfnadeln und eine verhältnismäßig hohe Anzahl an Gürtelbestandteilen, etwa zungenförmige sowie Haftarm- und Plattengürtelhaken inklusive der zugehörigen Gürtelringe und Zwingen. Als besondere Beigaben hervorzuheben sind Reste eines Altmärkischen Kettenplattenschmuckes sowie Holsteiner Gürtel, aber auch Bronzeblecharmringe oder Kronenhalsringe. Anhand des Fundmaterials ist das Gräberfeld von Mühlen Eichsen der Jastorfkultur zuzuordnen. Die Belegung beginnt bereits in der ausgehenden Bronzezeit im 6. Jh. v.u.Z., der Schwerpunkt liegt aber in den Stufen Ic/IIa nach Keiling bzw. der mittleren Vorrömischen Eisenzeit. Einzelne Bestattungen zeigen, dass das Gräberfeld bis ins 1. Jh. u.Z. weitergenutzt wurde.

  • Publikationen

    Ettel/J. Lamowski/F. Schneider, Paläodemographische und rituelle Dimensionen der jastorfzeitlichen Brandgräber aus Mühlen Eichsen (Lkr. Nordwestmecklenburg). Inhaltliche und methodische Perspektiven eines interdisziplinären Forschungsprojektes (im Druck).

    Ettel (Hrsg.), Die Südgruppe des eisenzeitlichen Gräberfeldes von Mühlen Eichsen. Band 1 ­ - Katalog (in Vorbereitung).

    Ettel (Hrsg.), Die Südgruppe des eisenzeitlichen Gräberfeldes von Mühlen Eichsen. Band 2 - Auswertung (in Vorbereitung).

    Ettel, Das Gräberfeld von Mühlen Eichsen, Mecklenburg-Vorpommern. Zum Stand der Ausgrabung, Aufarbeitung und Auswertung. In: J. Brandt/B. Rauchfuß (Hrsg.), Das Jastorf-Konzept und die vorrömische Eisenzeit im nördlichen Mitteleuropa (Hamburg 2014) 169-204.

    Ettel, 5000 Bestattungen in Mühlen-Eichsen - das größte Gräberfeld der Jastorfkultur? In: F. Falkenstein/M. Schönheer/H. Stäuble (Hrsg.), Langfristige Erscheinungen und Brüche von der Bronze- zur Eisenzeit. Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas 51 (Langenweißbach 2008) 43-60.

    Ettel, Mühlen-Eichsen, ein Gräberfeld der vorrömischen Eisenzeit in Mecklenburg: Archäologie und Anthropologie. In: N. Benecke (Hrsg.), Beiträge zur Archäozoologie und Prähistorischen Anthropologie 6 (Langenweißbach 2007) 40-53.

    Keiling, Zur Auffindung des ältereisenzeitlichen Bestattungsplatzes Mühlen-Eichsen, Lkr. Nordwestmecklenburg, vor 100 Jahren. In: W. Budesheim/H. Keiling (Hrsg.), Zur Archäologie in Norddeutschland. Beiträge für Wissenschaft und Kultur 7 (Wentorf b. Hamburg 2006) 7-44.

    Ettel, Das Gräberfeld von Mühlen-Eichsen in Mecklenburg. Zentraler Bestattungsplatz einer Siedlungskammer in der vorrömischen Eisenzeit? Ber. RGK 83, 2002 (2004) 145-178.

    Ettel/A. Dorl/V. Maier/N. Ludwig/H. Pabst/A. Schlote/N. Schumacher/S. Tamás, Die Ausgrabungen im Jahr 2003 auf dem eisenzeitlichen Brandgräberfeld von Mühlen-Eichsen. Arch. Ber. Mecklenburg-Vorpommern 11, 2004, 15-27.

    Ettel/M. Häckel/V. Maier/H. Pabst/I. Przemuß/S. Tamás, Die Ausgrabungen im Jahr 2002 auf dem eisenzeitlichen Gräberfeld von Mühlen-Eichsen. Arch. Ber. Mecklenburg-Vorpommern 10, 2003, 68-81.

    Ettel/H. Discher/S. Fröbe/K. Gesterding/M. Häckel/C. Hoffmann/F. Matznohr/Th. Schierl/J. Schneevoigt/U. Trenkmann/C. Tschischnitz/M. Vollbeding/M. Wehmer, Die Ausgrabungen im Jahr 2001 auf dem eisenzeitlichen Gräberfeld von Mühlen-Eichsen. Arch. Ber. Mecklenburg-Vorpommern 9, 2002, 66-78.

    RGA² 20, 296-300 s.v. Mühlen-Eichsen (P. Ettel).

    Ettel, Das Gräberfeld von Mühlen-Eichsen. Zentraler Friedhof einer Siedlungskammer. In: W. Menghin/D. Planck (Hrsg.), Menschen, Zeiten, Räume - Archäologie in Deutschland (Stuttgart 2002) 222-224.

    Ettel/M. Häckel/Th. Schier/V. Maier, Zur Weiterführung der Ausgrabungen auf dem eisenzeitlichen Gräberfeld von Mühlen-Eichsen, Lkr. Nordwestmecklenburg. Arch. Ber. Mecklenburg-Vorpommern 8, 2001, 53-64.

    Ettel, Mühlen-Eichsen, Lkr. Nordwest-Mecklenburg. Fundber. Mecklenburg Jahrb. 47, 1999, 443-444.

    Ettel/V. Maier, Archäologische Rettungsgrabung des eisenzeitlichen Gräberfelden von Mühlen-Eichsen, Lkr. Nordwestmecklenburg. Arch. Ber. Mecklenburg-Vorpommern 1999, 72-81.

  • Abschlussarbeiten zum Projekt

    Magisterarbeiten

    R. Dapschauskas, Die Westgruppe des Jastorf-Gräberfeldes von Mühlen Eichsen. Untersuchungen zu Keramiktypologie, Grabbau und Bestattungsritual (ungedr. Magisterarbeit FSU Jena 2012).

    J. Lamowski, Anthropologische Auswertung insbesondere der Südgruppe des Gräberfeldes von Mühlen Eichsen unter Berücksichtigung der Bestattungssitten und paläodemographischer Aussagen, Magisterarbeit FSU Jena 2010 (Druck in Vorbereitung).

    S. Tamás, Das eisenzeitliche Brandgräberfeld von Mühlen Eichsen - Die Gürtelhakenfunde aus der Westgruppe des Gräberfeldes (insbesondere Aussagen über Typologie, Chronologie und Verbreitung), Magisterarbeit FSU Jena 2009 (Druck in Vorbereitung).

    C. Tschirschnitz, Altmärkischer Kettenplattenschmuck und Holsteiner Gürtel von Mühlen Eichsen - Statussymbole der Jastorfkultur? (ungedruckte Magisterarbeit FSU Jena 2003).

    Jahresarbeiten

    M. Günther, Schmuck und Rasiermesser im Bereich der Südgruppe des Gräberfeldes von Mühlen Eichsen, Landkreis Nordwestmecklenburg. (ungedr. Jahresarbeit FSU Jena 2006).

    J. Kleinecke, Die Nadeln der Südgruppe des eisenzeitlichen Gräberfeldes von Mühlen Eichsen, Mecklenburg (ungedr. Jahresarbeit FSU Jena 2007).

    S. Köhler, Möglichkeiten der sozialen Differenzierungen in der Südgruppe Mühlen Eichsens (ungedr. Bachelorarbeit FSU Jena 2014).

    A. Quaas, Die Fibeln aus dem Bereich der Südgruppe des vorrömisch-eisenzeitlichen Brandgräberfeldes von Mühlen Eichsen (Mecklenburg) (ungedr. Jahresarbeit FSU Jena 2006).

    S. Tamás, Aussagen zur Typologie und Verbreitung der Gürtelhaken im Bereich der Südgruppe des vorrömisch-eisenzeitlichen Brandgräberfeldes von Mühlen Eichsen (Mecklenburg), (ungedr. Jahresarbeit FSU Jena 2005).

Beteiligte Wissenschaftler

Projektleitung: Prof. Dr. Peter Ettel (Seminar für Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie, FSU Jena)
Archäologische Aufarbeitung Nordwestgruppe: Maximilian Mewes M.A. (Seminar für Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie, FSU Jena)
Restaurierung: Ivonne Przemuß (Seminar für Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie, FSU Jena)
Anthropologie: Dr. Walfried Blume (Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern)
Laufzeit: seit 2000

Fördernde und mitwirkende Institutionen

Peter Ettel, Univ.-Prof. Dr.
Leiter des Seminars, Lehrstuhl für Ur- und Frühgeschichte
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Lehrstuhl Ur- und Frühgeschichte
Löbdergraben 24a
07743 Jena Google Maps – LageplanExterner Link